Meine Geschichte
Der schlimmste Tag meines Lebens…
Ich war gerade einmal 46 Jahre alt und mein Leben war bis dahin, so ziemlich perfekt. Ein neues, schönes Haus. 2 gesunde Kinder, eine funktionierende Beziehung und ich habe mir meinen Traum erfüllt, eine mediale Ausbildung begonnen, die ich schon lange geplant hatte.
Eigentlich war alles perfekt…
Ich hatte gerade mein erstes Seminar absolviert, es war der 7. Februar 2015 , 10 Uhr am Vormittag… da bekam ich den schlimmsten Anruf den eine Mutter bekommen kann.
Mein ältester Sohn Dennis wurde tot in seiner Wohnung aufgefunden.
Schock… Zusammenbruch… Fassungslosigkeit.
Von einer Minute zur nächsten brach meine komplette Welt zusammen. Niemand konnte mir genaues sagen. Was war passiert? Dennis stand voll im Berufsleben und war Sportler. Er war ein leidenschaftlicher Boxer. Wie konnte er tot in seiner Wohnung liegen???
Ich wollte nur zu meinem Sohn. Nichts und niemand konnte mir helfen. Am späten Nachmittag kam die Kripo und teilte uns mit, dass Dennis an einem geplatzten Aneurysma an seinem Herzen gestorben war.
Er war doch Hochleistungssportler…. Ich wollte es nicht wahr haben.
An dem Tag waren viele Leute bei uns zuhause. Meine Freundin kam sofort aus Hamburg um uns irgendwie zu unterstützen. Am späten Abend, unser jüngerer Sohn, mein Mann und ich waren noch im Haus.
Mein jüngerer Sohn hatte sich alleine in seinem Zimmer zurückgezogen. Mein Mann und ich gingen zu ihm, um gemeinsam mit ihm zu weinen. Im ganzen Haus waren die Heizungen an. Trotzdem wurde es mit einem Mal sehr kalt in dem Zimmer meines Sohnes Marcel, obwohl die Heizungen liefen. Mein Mann und ich wickelten uns in Decken ein und weinten, jeder für sich, leise vor sich hin.
Mit einem Mal sah ich an der Tür 2 Lichtgestalten. Es wurde immer kälter und es tauchten viele Wesen im Zimmer auf. Mein Mann sah mich erschrocken an… Da wusste ich, dass auch er sie sieht.
Mein Sohn war mit seinem Handy und seinem Schmerz so sehr beschäftigt, dass er nichts um sich herum mitbekam.
Im Zimmer wurde es immer kälter und als die Wesen näher kamen, erkannte ich meinen Sohn Dennis, mit meiner Mutter an seiner Seite. Um sie herum wurde es immer heller. Mein verstorbener Sohn bewegte sich näher auf mich zu. Er legte sich auf mich. Seine Hand legte er auf das Herz meines Mannes.
In dem Moment sprach Dennis zu mir. Ganz deutlich sagte er immer wieder:
„Mama, es tut mir leid. Ich liebe euch."
Ich wiederholte die Worte laut, so dass mein überforderter Mann mitbekam, was unser Sohn uns sagen wollte. Mein Mann sah und fühlte alles genauso wie ich. Nur die Worte konnte er nicht hören.
In diesem Augenblick bekam ich eine Welle von bedingungsloser Liebe zu spüren. Dafür gibt es einfach keine Worte. So viel Kraft und diese unendliche Fülle an Liebe.
Keine Traurigkeit… Keine Schmerzen… Keine Gedanken…
Worte können nicht beschreiben, was ich gefühlt habe. Ich war so gefangen von dieser unendlichen Liebe meines Sohnes, dass ich nicht mitbekam, wie die Lichtgestalten sich langsam auflösten.
Das ist jetzt 6 Jahre her. Ich kann mich aber noch an jede Sekunde dieses ersten Kontaktes mit meinem Sohn im Jenseits erinnern.
Das nächste prägende Erlebnis hatte ich dann am Tag der Beerdigung meines Sohnes. Es war am einem Freitag, den 13.…
Alles war wie in einem Albtraum. Ich hatte furchtbare Angst vor der Beerdigung.
Diese Angst… wenn der Sarg in die Erde hinuntergeht...
Wir machten uns sehr viele Gedanken, wie wir diesen furchtbaren Tag gestalten sollen.
Wir wollten ihn auf seinem letzten Weg , gebührend beerdigen.
Ich hatte einen Traum, von weißen Tauben. Mein Mann hätte mir diesen Wunsch gerne erfüllt, doch im Februar war es unmöglich, welche zu besorgen. Wir entschlossen uns für Luftballons.
Wir leben hier sehr ländlich und ich habe es immer geliebt, mit meinen Hunden in den Feldern Gassi zu gehen. Im Winter haben wir immer unsere Wildgänse hier. Ich liebe es, unter Ihnen zu stehen, die Flügelschläge quasi zu spüren und den Klängen von ihnen zu lauschen.
3 Tage vor der Beerdigung ging ich wieder mit meinen Hunden Gassi und sah , dass das Feld voller Wildgänse war. Am nächsten Tag war das Feld und der Weg komplett mit Gänsen gefüllt.
Sie machten mir tatsächlich den Weg frei, als ich durch die Schar hindurch ging.
Dieses Feld, auf dem sich die Wildgänse trafen, ist ca. 1,5 km vom Friedhof entfernt.
An dem Tag war die Beerdigung. Der schwerste Gang meines Lebens, den ich nur unter Beruhigungsmittel überstand.
Meinen Schmerz kann ich nicht in Worte fassen.
So viele Leute waren dort. So viele Freunde unseres Sohnes… Ich hielt mich krampfhaft an den Ballons, in meiner Hand, fest… konnte mich einfach nicht von ihnen trennen.
Nachdem ich die 2 Ballons endlich loslassen konnte, flogen genau in dem Moment 2 Wildgänse ganz tief über unsere Köpfe hinweg.
Mein Blick ging Richtung Himmel…. Und in dem Augenblick sah ich, dass die komplette Schar an Wildgänsen, die ich seit Tagen beobachtet hatte, über unseren kleinen Friedhof kreiste.
Der Himmel war tatsächlich verdunkelt. In dem Moment wusste ich, sie kamen von meinem Dennis. So zeigte er mir, dass es ihm gut ging.
In dem Moment musste ich lachen… Mein Herz wurde ganz leicht und ich spürte ihn wieder…
Unter den Gänsen war ein riesiger Fischreiher… Mein Sohn war ein Hobby Angler.
Die Vogelschar ließ sich neben dem Friedhof nieder und flog erst weg, als wir den Friedhof verlassen haben.
Was für ein unglaubliches Geschenk mir mein geliebter Sohn Dennis damit gemacht hat.
Offene Worte
Ich schreibe heute diese Erlebnisse heute zum ersten Mal auf. Erzählt habe ich sie schon häufig. Aufschreiben ist aber noch einmal etwas anderes…
Der Schmerz und die Trauer waren selbstverständlich stärker. Sein eigenes Kind zu beerdigen, dass ist die Urangst aller Eltern.
Nach der Beerdigung lag ich 3 Wochen im Bett. Nichts konnte mich trösten.
Ich wollte niemanden sehen. Irgendwann hatte ich keine Tränen mehr.
Ich war innerlich leer. Fühlte mich wie tot. Wollte bei meinem Jungen sein.
Als ich irgendwann wieder an die mediale Ausbildung dachte war mein erster Impuls:
Da gehe ich nie wieder hin! Ich war so wütend. Auf Gott und die ganze Welt. Ich kann und will an nichts mehr glauben.
Irgendwann kam dann eine Stimme in meinem Kopf, die fragte: "Wo, außer dort, kommst du deinem Kind so nahe?"
Diese Worte weckten mich auf. Am nächsten morgen sammelte ich all meine verbliebenen Kräfte, zog mich an und fuhr die 80 km bis zu dem Ort der Ausbildung.
Niemand dort hat damit gerechnet, dass ich nach so kurzer Zeit dort auftauche…
Heute weiß ich; das war die größte und beste Entscheidung, die ich in meinem Leben getroffen habe. Denn ich folgte dem Weg, der für mich vorgesehen war.
Heute bin ich meinem Sohn Dennis so oft, so nah... Ich schaffe es, eine Verbindung zu ihm herzustellen und das trägt mich durch mein Leben. Irgendwann habe ich dann die Kraft gefunden, anderen verwaisten Eltern helfen zu können. Die Verbindungen zu den verstorbenen Kindern herzustellen und zu verstehen, was sie durchmachen.
Die Dankbarkeit, die ich von ihnen zurückbekomme, hilft auch mir auf meinem schweren Weg. Denn Trauer hat kein Verfallsdatum. Man kann viele Wege der Trauer wählen. Keiner ist der falsche Weg. Es gibt keinen Anfang oder Ende der Trauer, das habe ich gelernt. Auf diese Weise habe ich mein Schicksal annehmen können andere Trauernde auf ihrem Weg zu begleiten... Die Hand zu halten und vielleicht eine Verbindung zu ihren Liebsten auf der anderen Seite zu finden.
Tröstend und liebevoll.
Dennis 30. Geburtstag
Tauerarbeit ist etwas ganz individuelles und den Weg zurück in sein Leben muss jeder selbst finden. Ich möchte Dir hier zeigen, wie wir Dennis 30. Geburtstag gefeiert haben. Mit seinen Freunden. Mit der Familie. Und mit Dennis.
Es war für alle ein ganz besonderer Tag.